Wir befinden uns auf der Piazza San Francesco, einem historischen Ort. Auf der einen Seite sieht man die Chiesa San Francesco mit dem angebauten ehemaligen Kloster (heute Pädagogische Hochschule). Auf der andern Seite des Platzes stehen das moderne Gebäude, welches ebenfalls eine Sektion der Hochschule beherbergt, und gleich dahinter versteckt das Spital La Carità.
Historiker vermuten, dass das Kloster San Francesco im Jahr 1229 gegründet wurde, als Antonio von Padova das Land geschenkt bekam, auf dem er ein Franziskanerkloster in Locarno erbauen lassen sollte. Wahrscheinlich wurde eine erste Kirche bereits im Jahr 1230 geweiht, urkundlich erwähnt wurde jedoch erst eine feierliche Kirchweihe im Jahr 1316, die gemäss einer Verordnung des Bischofs von Como drei volle Tage dauerte.
Der Wiederaufbau der Kirche San Francesco (1538) wurde dem Architekten Giovanni Beretta aus Brissago anvertraut, der sich an der mittelalterlichen Basilika San Francesco Grande in Mailand inspirierte, welche im 19. Jahrhundert zerstört wurde und zuvor als Hauptsitz der franziskanischen Provinz diente, zu der auch Locarno gehörte.
Beim Bau 1538 wurden Steine des abgebrochenen Castello Visconti und vom vorübergehend eingestellten Bau des San Vittore-Turmes in Muralto verwendet. Die Kirche präsentiert sich seither mit einer Fassade in romanischem Stil, drei Kirchenschiffen, getrennt durch zwei Reihen à fünf Säulen, drei polygonalen Absiden und einem grossen quadratischen Chor.
Die Seitenkapellen, die Stuckaturen und die teilweise noch sichtbaren Fresken von Giuseppe Antonio Felice Orelli stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. In der Zeit, als Locarno unter Schweizer Herrschaft stand, war die Kirche San Francesco der Ort für die Vereidigungszeremonien der Landvögte und Treffpunkt für den lokalen Adel. Das Dekret zur Abschaffung der Klöster von 1848 hatte die Schliessung der Kirche zur Folge. Sie wurde fortan als Warenlager benutzt und dem Zerfall preisgegeben. Nach einer Restaurierung im Jahre 1924 wurde sie wieder für kirchliche Belange geöffnet.
Das ehemalige Kloster schliesst sich südlich an die Kirche an. Die ursprüngliche Bauweise mit zwei Innenhöfen und eleganten Säulengängen wurde weitgehend erhalten. Im früheren Refektorium, 1716 von Baldassare Orelli ganz mit Fresken bemalt, kann man die "Hochzeit zu Kana" und das "Abendmahl" bewundern, nebst allegorischen Darstellungen der Kardinaltugenden und einer Gloriole des Hl. Franz von Assisi.