Sie stehen nun vor einer Statue, die dem Roland auf dem Marktplatz ähnelt. Sein kleiner Bruder, der kleine Roland, auch bekannt unter dem Namen Rolandbrunnen, ist ein Denkmal aus dem 18. Jahrhundert. Der Brunnen befindet sich am Neuen Markt an der Kreuzung der Großen Krankenstraße / Kleinen Annenstraße gegenüber der neuen Sankt-Pauli-Kirche. Das Werk entstand vermutlich 1737 durch den bekanntesten Bremer Steinbildhauer und Elfenbeinschnitzer Theophilus Wilhelm Frese. Dieser Künstler schuf zuvor bereits Arbeiten wie den Sarkophag des Georg Bernhard von Engelbrechten im Bleikeller oder die Allegorie des Frühlings Flora im Focke-Museum. Wenn sie sich das obere Drittel des Werks genauer anschauen bildet es eine kleine Roland Statue, ähnlich der, welcher auf dem Bremer Marktplatz, ca. einen Kilometer entfernt steht und die bürgerlichen Rechte und Pflichten verkörpert. Ähnlich eng ist auch der kleine Roland mit der Bremer Stadtgeschichte verbunden. Als Bremen die Wallanlagen als prächtiges Bollwerk errichten ließ, wurde die einfache Bevölkerung exkludiert und es galt für sie ein eingeschränktes, nachteilhaftes Bürgerrecht. So litt die Bevölkerung, die zum Großteil aus Schuhmacher, Zigarrenmacher oder Lumpensammler bestand unter prekären Lebensumständen. Infolgedessen siedelten sie sich außerhalb dieses Bollwerks, an der anderen Weserseite an. Um gegen die Ungleichbehandlung zu protestieren und ein Zeichen zu setzen errichten sie ihren eigenen, kleinen Roland. Dies imponierte den reichen Bremern relativ wenig und so verlagerten sie sogar den Schweinemarkt vom Domshof auf den Neuen Markt, genau an die Stelle an der Sie sich gerade befinden. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und stellen Sie sich vor, Sie würden 300 Jahre früher leben. Die Schweine werden durch die Gassen gescheucht, in der Luft steht ein Geruch aus Mist und Bauernhof. Bei genauer Betrachtung zurück in der Gegenwart liegt dem kleinen Roland eine Tafel samt Inschrift zu Füßen. Auf ihr steht geschrieben:
"Steh dann ruhig Rolandsbild, steh standfest und unerschüttert, unter deines Kaisers Schild, lass den Neid schon sein erbittert, bleibt dich Gott und Karol hold, glänzt Dein Glück und Segensgold, bis das ganze Rund zersplittert. Erste Compagnie Lieutenant, Hinrich Worninhhusen - Anno 1737"
Der Rolandbrunnen besteht aus dem bekannten Obernkirchener Sandstein aus dem Bückeberg Gebirge in Norddeutschland. Aufgrund seiner häufigen Verwendung in Bremen wird er auch einfach Bremer Stein genannt. Der Sockel des kleinen Rolands besteht aus einer verzehrten Ornamentik. Der kleine Roland trägt, wie sein großes Vorbild, ein Schwer als Zeichen für Gerichtsbarkeit und trägt das Schild mit dem doppelgeköpften Adler als Zeichen des Deutschen Kaisers.
Text: Ole Wagenknecht
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