Im 15. Jahrhundert war die Kirche einer der größten politischen Player.
1493 teilt der Papst die Welt sogar unter den rivalisierenden Mächten Spanien und Portugal in zwei Hälften auf.
In diesem Hörstück erfahren Sie die Hintergründe dazu.
Warst du schon auf dem Turm? Von hier lässt sich die ganze Welt erblicken! Dieses Gefühl stellt sich bei mir ein, wenn ich von dort oben in die Ferne schaue. Auch von unten ist es beeindruckend: Um die Spitze des Turms erkennen zu können, musst du den Kopf ganz weit zurück in den Nacken legen.
Du stehst auf dem großen Platz zwischen dem Münster und dem roten Kulturzentrum. Das Münster unserer Lieben Frau, wie diese eindrucksvolle Kirche heißt, ist bis heute das höchste Gebäude der Stadt Konstanz und prägt das Stadtbild.
Sicherlich hast du schon von dem Konstanzer Konzil gehört! Das fand hier vor über 600 Jahren statt. Von 1414 bis 1418 diente das Münster als Sitzungssaal zur Papstwahl. Wer sollte die Welt als geistliches Oberhaupt regieren? Für dieses politische Mega-Event des Mittelalters kam die ganze Welt nach Konstanz. Konstanz muss sich wie der Mittelpunkt der Welt angefühlt haben. Zugegeben, damals wussten die Leute aus Konstanz auch noch nicht, um wieviel größer die Welt schon 100 Jahre später werden sollte.
Als Kolumbus 1492 auf der Suche nach Indien zufällig auf den Kontinent stößt, den wir noch heute Amerika nennen, verändert sich vieles. Europäische Kosmografen stellen die Welt als Kugel dar. Portugal und Spanien steigen zu bedeutenden See- und Handelsmächten auf. Das europäische Zentrum verschiebt sich vom östlichen Mittelmeer an die südwestlichen Atlantik-Häfen. Die Größe der Welt hat sich aus europäischer Perspektive seit dem Konzil nun fast verdoppelt.
Die Kirche ist immer noch sehr mächtig,. Sie wird Ende des 15. Jahrhunderts zum politischen Global Player. Die Kronen von Portugal und Spanien konkurrieren um die Vorherrschaft in der Welt und bekriegen sich zwischen Mittelmeer und Atlantikküste. Ein Beschluss des Papstes Alexander VI., soll Klarheit schaffen: In der Bulle “Inter Caetera” von 1493 teilt der Papst die Welt in zwei Hälften zwischen den Rivalen auf:
“kraft unserer apostolischen Gewalt und der Autorität des Allmächtigen Gottes schenken, gewähren und übertragen wir Euch und Euren Erben, den Königen von Kastilien und León, auf immer alle entdeckten und zu entdeckenden Inseln und Festländer in Richtung Westen und Süden, wobei eine Linie vom Nordpol zum Südpol zu ziehen ist [...] welche von den Azoren und Kapverdischen Inseln hundert Meilen gen Westen und Süden verläuft, so dass alle entdeckten Inseln und Festländer jenseits der Linie mit Rechten, Gerichtsbarkeiten und Kompetenzen Euch gehören.”
Diese Teilung der Welt besiegelt kurz darauf der Vertrag von Tordesillas. Er spricht den einen Teil Spanien und den anderen Portugal zu. Ganz so, als sei die Welt ein Apfel, um den sich gestritten wird. Der Papst verschenkt die Welt, so als würde sie ihm gehören.
Kolumbus’ Seefahrt und der Vertrag von Tordesillas sind der Beginn einer beispiellosen Geschichte von kriegerischen Invasionen, Raubzügen, Menschenjagden, Verschleppung und Versklavung in Minen und Plantagen.
Über hunderte von Jahren werden südamerikanische und afrikanische Menschen ausgebeutet und zugrunde gerichtet: Anfangs legitimiert durch den Auftrag des Papstes, die so genannten wilden Völker zu missionieren und später aufrechterhalten durch den Nutzen, den die Rohstoffe für die europäische Wirtschaft hatten. Die Folgen spürt man heute noch. Die globalen Ungleichheiten lassen sich auf die Kolonialzeit zurückführen.
Wer profitiert damals, vor knapp 530 Jahren von diesen Eroberungen? Wie etablieren sich diese globalen kapitalistischen Praktiken? Wo sehen wir noch heute Spuren von damals im Konstanzer Stadtbild?
Komm mit uns auf eine Spurensuche durch die Stadt. Zur ersten Station sind es nur wenige Meter. Dreh dich mit Blick auf das Münster nach links. Siehst du die Pyramide über den römischen Ausgrabungen? Stelle dich zwischen die Pyramide und die Kirche. Du blickst nun von außen auf eine Kapelle.